Direktor*innen des Musikinstrumenten-Museums

Oskar Fleischer (1892–1919)

Oskar Fleischer wurde am 2. November 1856 in Bitterfeld geboren. Er studierte 1878-1882 alte und neue Sprachen, Literaturgeschichte sowie Philosophie an der Universität Halle, u. a. bei dem Germanisten Julius Zacher. Dort promovierte er 1882 mit einer Arbeit über "Das Accentuationssystem Notkers in seinem Boethius". Im Anschluss studierte er unter Philipp Spitta Musikwissenschaft. Nach vier Jahren kam er mit einem Beitrag über die im Kupferstichkabinett in Berlin befindliche Sammlung "La Rhétorique des Dieux" des französischen Lautenisten Denis Gaultier zu seiner ersten Veröffentlichung.

In der Geschichte des Musikinstrumenten-Museums trat Oskar Fleischer 1892 nach Spittas Tod dessen Nachfolge als Direktor des Museums an. Seiner Aktivität ist der Erfolg in Wien zu verdanken sowie der offizielle Beginn in Berlin - fünf Jahre nach der Gründung. In dieser Zeit umfasste die Sammlung etwa 800 Instrumente, im Jahre 1900 dürfte die Zahl bei 1000 gelegen haben.

Fleischers Hauptgebiet der wissenschaftlichen Arbeit lag nicht in der Instrumentenkunde, sondern in der Erforschung mittelalterlicher Gesangstonschriften. 1895, im gleichen Jahr, in dem er an der Berliner Universität zum Professor ernannt wurde, erschien der erste Band seiner Neumenstudien, dem 1897 der zweite und 1904 der dritte Band folgten wobei sich letzterer mit der spätgriechischen Tonschrift befasste. Auf diesem Forschungsgebiet fand Fleischer große Beachtung und Anerkennung, aber auch heftigen Widerspruch. Die Position, die Fleischer durch seine wissenschaftlichen Leistungen errungen hatte, seine auf Studien- und Forschungsreisen erworbenen Erfahrungen und seine weitreichenden Verbindungen ermöglichten ihm 1899 die Gründung der Internationalen Musik-Gesellschaft (IMG), die bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 durch Kongresse und Publikationen das Zentrum der internationalen musikwissenschaftlichen Zusammenarbeit bildete. Fleischer war bis 1903 Präsident der Gesellschaft und in den ersten Jahren zusammen mit Max Seiffert und Johannes Wolf Schriftleiter ihrer Publikationen. Neben dieser erfolgreichen Arbeit gelang Fleischer in diesen Jahren der Erwerb der damals größten und bedeutendsten Privatsammlungen, der Sammlung Snoeck, die er für das Instrumenten-Museum in Berlin sichern konnte. Die Snoeck-Sammlung verdoppelte den Bestand der Instrumentensammlung, vervielfachte ihn wertmäßig. 1910 wurde die Sammlung in die Königliche Hochschule für Musik eingegliedert, Fleischer übernahm eine Lehrtätigkeit im Fach "Instrumentenkunde". Die Amtszeit Fleischers zeichnet sich vor allem durch die wenigen zur Verfügung stehenden Mittel aus, mit denen er den Fortbestand der Sammlung gewährleisten musste, was oftmals nicht möglich war, so dass die Instrumente lange Zeit nicht restauriert werden konnten. 1919 wurde das Amt Fleischers an Curt Sachs übergeben. Fleischer selbst blieb noch bis 1925 am Lehrstuhl der Hochschule. Am 8. Februar 1933 verstarb Fleischer in Berlin.

Oskar Fleischer (Direktor 1892–1919)

Curt Sachs (1919–1933)

Curt Sachs, geboren am 29. Juni 1881 in Berlin, stammte aus einer schon seit Jahrhunderten in Deutschland ansässigen Familie jüdischen Glaubens. Nach dem Besuch des Französischen Gymnasiums und praktisch-musikalischer Ausbildung (Klavier und Klarinette) studierte er an der Friedrich-Wilhelm-Universität Kunstgeschichte bei Carl Frey und Adolf Goldschmidt, daneben Musikwissenschaft bei Hermann Kretzschmar, Oskar Fleischer, Johannes Wolf und Max Friedländer. 1904 wurde er mit einer Dissertation über "Das Tabernakel mit Andrea's del Verrocchio Thomasgruppe an Or San Michele zu Florenz. Ein Beitrag zur Florentiner Kunstgeschichte" promoviert. 1908 heiratete er Irene Lewin, die Tochter des weltbekannten Pharmakologen und Toxikologen Louis Lewin. Die ersten musikwissenschaftlichen Veröffentlichungen von Curt Sachs galten der Lokalgeschichte: "Musikgeschichte der Stadt Berlin bis zum Jahre 1800" (1908) und "Die Musik und Oper am kurbrandenburgischen Hof" (1910). 1913 erschien das erste seiner instrumentenkundlichen Werke, das "Real-Lexikon der Musikinstrumente zugleich ein Polyglossar für das gesamte Instrumentengebiet". Ihm folgte 1914 in der "Zeitschrift für Ethnologie" die gemeinsam mit Erich M. von Hornbostel entwickelte "Systematik der Musikinstrumente", die zur international anerkannten Grundlage der Klassifikation des gesamten Musikinstrumentariums geworden ist. Seit Dezember 1919 leitete Curt Sachs als Nachfolger Oskar Fleischers die "Sammlung alter Musikinstrumente bei der Staatlichen Hochschule für Musik zu Berlin". Neben der Sorge um Erhaltung und Darbietung des reichen und kostbaren Bestands von mehr als 3000 Instrumenten bemühte er sich erfolgreich um den Zugang weiterer Seltenheiten. Ziel von Sachs' Bestrebungen war es vor allem, den Bestand der Sammlung der Wissenschaft zugänglich und nutzbar zu machen. Deshalb legte er bereits 1922 deren "Beschreibenden Katalog" vor, dessen Systematik, typologische Vorbemerkungen und Terminologien ihm eine über den reinen Bestandsnachweis weit hinausgehende Bedeutung gegeben haben. Ein den Katalog ergänzendes "Handbuch der Musikinstrumenten- kunde" war bereits 1920 erschienen. Im September 1933 wurde Curt Sachs durch das nationalsozialistische Regime seiner Ämter enthoben, so dass er Deutschland verlassen musste. Bis 1937 arbeitete er in Paris als Gastprofessor an der Sorbonne, dann siedelte er nach New York über, wo er als Gastprofessor zunächst an der New York University, später dann an der Columbia University wirkte. Daneben betreute er viele Forschungs- und Restaurierungsprojekte an der Musikinstrumentensammlung des Metropolitan Museum of Art in New York. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgte er zwar mit besonderem Interesse den Wiederaufbau der Berliner Sammlung durch Alfred Berner, konnte sich aber nicht mehr zu einem Besuch in Deutschland entschließen. Zu den zahlreichen Ehrungen, die Curt Sachs zuteil geworden sind, gehören die Ernennung zum Honory Doctor of Hebrew Letters durch das Hebrew Union College, die Wahl zum Präsidenten der American Musicological Society (1948-1950) und die Ernennung zum Ehrenpräsidenten der American Society for Ethnomusicology. Die Bundesrepublik ernannte Sachs 1956 zum Ordinarius Emeritus, nachdem ihm schon in den Jahren zuvor die Gesellschaft für Musikforschung die Ehrenmitgliedschaft und die Freie Universität Berlin den Dr. honoris causa verliehen hatten. Curt Sachs verstarb am 5. Februar 1959 in New York.

Lesen Sie mehr dazu im Führungsblatt des Musikinstrumenten-Museums zu Curt Sachs.

Curt Sachs (Direktor 1919–1933)

Alfred Berner (1966–1975)

Alfred Berner wurde 1910 in Heinrichswalde, Ostpreußen, geboren. Seine Studienzeit absolvierte er an der Berliner Universität, in den Fächern Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Arabistik, wo er den Unterricht von Arnold Schering, Curt Sachs, Erich M. von Hornbostel und Johannes Wolf genoss. Von 1931 bis 1933 betrieb Berner Forschungen über Arabische Musik in Cairo. 1935 erhielt er den Doktortitel für seine Dissertation über die zeitgenössische Arabische Musik in Ägypten, eine Pionierarbeit der Musikethnologie. Nach Tätigkeiten an verschiedenen Deutschen Institutionen und dem Militärdienst wurde Berner vom Magistrat Groß-Berlins zum Hauptreferent für Musik und Kunstangelegenheiten ernannt. 1966 wurde er Direktor des Berliner Musikinstrumentenmuseums und 1967 Professor. Berner lehrte Instrumentenkunde an mehreren Institutionen seit 1947. Nach der Emigration Curt Sachs' im Jahre 1933 gab es keinen adäquaten Nachfolger als Direktor des Museums und als Professor für Instrumentenkunde. Erst nach der Nazizeit wurde mit Berner ein würdiger Nachfolger gefunden. Nachdem das Institut für Musikforschung und die Instrumenten-Sammlung nach dem Krieg wieder aufgebaut worden waren, folgte Berner der ursprünglichen Idee des breiten kulturellen Zugangs. Neben der Sammlung von Musikinstrumenten gründete Berner eine umfassende, hervorragende organologische Bibliothek und ein Archiv für Dokumente und Darstellungen. Somit stellte er eine ausgezeichnete Basis für die Forschung bereit. Ein weiteres Verdienst Berners liegt in seinem Einsatz für eine internationale Zusammenarbeit der Museen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen sich viele Instrumentensammlungen europäischer Länder unterschiedlichsten Problemen gegenübergestellt. Fragen, die die Restaurierung beschädigter Instrumente betrafen, die Instandhaltung und Ausstellung der Instrumente und ihre mögliche Verwendung für Aufführungen, verlangten Antworten. Schließlich war es Berner, der 1958, als Aufsichtsratsvorsitzender des Komitees für die Registrierung aller Instrumente in deutschen Museen, die Gründung einer Stiftung vorschlug, welche sich ausschließlich den Problemen historischer Musikinstrumente in Museen widmete. Diese Idee führte geradewegs zur Bildung der CIMCIM 1960. Berner blieb bis 1975 Direktor des Musikinstrumenten-Museums. Er verstarb am 26. Februar 2007 in Endingen.

Alfred Berner (Direktor 1966–1975)

Dagmar Droysen-Reber (1984–1994)

Droysen-Reber, geboren am 25. August 1928 in Barmen, absolvierte nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zur Privatmusiklehrerin im Fach Klavier. Von 1949 bis 1954 studierte sie Musikwissenschaft, Philosophie, Romanistik, Phonetik und Experimentalphysik an der Hamburger Universität, wo sie 1961 mit einer Arbeit über „Die Saiteninstrumente des frühen und hohen Mittelalters (Halsinstrumente). Darstellung der Instrumententypen anhand ikonographischer und literarischer Quellen sowie romanischer und frühgotischer Plastik bei Heinrich Husmann” promoviert wurde. Anschließend war sie in der Schallplattenindustrie tätig, wo sie Kenntnisse auf dem Gebiet der akustischen Aufnahme- und Wiedergabetechnik erwarb. 1962/63 arbeitete sie zusammen mit Hans-Peter Reinecke in Hamburg als Sachverständige für Akustik. Am Staatlichen Institut für Musikforschung wurde sie 1965 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Akustischen Abteilung eingestellt.

1984 wurde Droysen-Reber zur Direktorin des Musikinstrumenten-Museums ernannt, dessen repräsentativer Neubau neben der Berliner Philharmonie im selben Jahr feierlich eröffnet wurde. 1989 übernahm sie, nach dem Ausscheiden von Hans-Peter Reinecke, die kommissarische Leitung des gesamten Instituts, 1991 wurde sie zur Direktorin des Hauses ernannt, das sie bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1994 leitete.

In ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit konzentrierte sich Droysen-Reber auf bestandsbezogene instrumentenkundliche Themen, denen sie sich mit großen, repräsentativen Ausstellungen samt zugehörigen, von ihr verantworteten Publikationen zuwandte, so zum Typus der „Kielklaviere: Cembali, Spinette, Virginale”, Berlin 1991. Diese Publikation war das Modell für ein vergleichbares Werk, das Droysen-Reber „ihrem” Instrument widmete, dem Bestandskatalog der „Harfen des Berliner Musikinstrumenten-Museums”, Berlin 1999. Schließlich ist ihr auch ein Werk zu verdanken, in welchem nahezu der gesamte Bestand der Sammlung verzeichnet ist: „Musikinstrumenten-Museum Berlin: Bestandskatalog der europäischen Musikinstrumente”, den sie über viele Jahre zusammen mit Conny Restle erarbeitete.

Dagmar Droysen-Reber verstarb am 20. Februar 2020 in Berlin.

Weiterführende Links

Eine ältere Dame mit weißem Haar in einem roten Kostüm mit weißer Bluse

Conny Restle (2002–2023)

Die Musikwissenschaftlerin Prof. Dr. Conny Sibylla Restle leitete von 2002 bis 2023 als Direktorin das Musikinstrumenten-Museum.

Conny Restle studierte Musikwissenschaft, Lateinische Philologie des Mittelalters, Deutsche Philologie des Mittelalters an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1989 promovierte sie mit einer Arbeit über Bartolomeo Cristofori. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehörten neben den Tasteninstrumenten auch die Instrumente der Antike, des Mittelalters und des 16. bis frühen 20. Jahrhunderts. Außerdem widmete sie sich Forschungen zur Akustik und zur Historischen Aufführungspraxis. Sie ist Mitglied des Redaktionskollegiums der „musica instrumentalis – Zeitschrift für Organologie“. Seit 2012 ist sie zudem Honorarprofessorin an der Universität der Künste Berlin. mehr

Frau mit blonden Haaren in einem dinkelblauen Anzug mit weißer Bluse und roter Kette vor einer weißen Wand stehend