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Materials and Materiality in Music / The Audibility of Wood
Veranstaltungsdatum: 07.11.2024
Ort der Veranstaltung: Kulturforum, KGM Vortragssaal, 12 Uhr, Musikinstrumenten-Museum, 14 Uhr
Vortrag und Workshop von Ulrike G.K. Wegst und Rebecca Wolf im Rahmen der interdisziplinäre Akademie "Ecological Entanglements across Collections – Plant Lives and Beyond".
Vom 4.-8. November 2024 lädt das Kooperationsprojekt 4A_Lab (eine Initiative des Kunsthistorisches Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz) zur interdisziplinären Akademie „Ecological Entanglements across Collections – Plant Lives and Beyond“ ein. Im Austausch mit internationalen Forscher:innen, Museumsexpert:innen und einem interessierten Publikum werden aktuelle Denkweisen über pflanzliche und nicht-menschliche Lebensformen diskutiert, sowie die Rolle von pflanzlichem Leben in künstlerisch-ästhetischen Praktiken und der menschlichen Wissensproduktion kritisch beleuchtet. Junge Nachwuchswissenschaftlerinnen, die seit 2019 die künstlerische und ökologische Prozesse von Pflanzen in den Sammlungen der SPK erforschen, bieten unter anderem einen Einblick ihre Forschungsergebnisse.
Unter dem Titel „Plants, Sensory Interactions and Language in Early Modern Europe“ wird am vierten Tag der Akademie die Kommunikation zwischen pflanzlichen und nichtmenschlichen Lebensformen thematisiert. Sinnliche Wahrnehmungen von Geräuschen, Gerüchen, Musik und Gefühlen in und durch Pflanzen werden dabei überdacht. Ein Konzert der renommierten Barock-Harfistin Margret Koell in der Gemäldegalerie beschließt den Tag. Die Vorträge sind in englischer Sprache und werden online zugänglich sein. Ausgewählte Veranstaltungen werden auf Deutsch angeboten. Das detaillierte Programm lesen Sie auf der Akademie-Webseite des KHI nach.
Der Vortrag von Ulrike G.K. Wegst (Northeastern University, Boston) und Rebecca Wolf (Staatliches Institut für Musikforschung) am 7. November um 12 Uhr zum Thema Materials and Materiality in Music findet im Rahmen des Panels "Plants and the Senses in Visual, Linguistic, and Sound Cultures" in englischer Sprache statt.
Vortrag
About 40,000 years ago, our ancestors expertly crafted mammoth ivory and swan wing bone flutes. Quite likely, the instrument makers had earlier trained their skills on more easily workable but perishable materials such as wood, bamboo, reed, gourds, and other plant-based materials. We still cherish these today, because of their attractive acoustical properties, their aesthetic appeal, and the comparative ease with which they can be worked. Initially limited to local plant species, such as spruce, maple, and boxwood in Europe, instrument makers later added tropical species such as ebony, grenadille, and Pernambuco from Africa, Asia, and South America. New and exotic materials, from the European perspective, were not only desirable as status symbol or fashion statement. They also offered technological advantages, ranging from an easier manufacture of a musical instrument with greater precision for improved playability and acoustical qualities. Today, plant-based materials remain competitive. However, despite being “renewable” resources, a number of them face challenges. Some of the revered tropical wood species are on the CITES list, others like spruce are exposed to significant changes in growth conditions from drought to extreme windstorms associated with climate change. Are wood-dust filled polymers for clarinets and carbon-fiber composites for violin bows and guitars environmentally-benign alternatives? Are they acceptable and accepted by musicians? Exploring materials’ characters in several examples, we will reflect upon the terms material and materiality focusing on music and instruments while discussing the relationship of the object itself to the cultural historical concepts.
7. November 2024, 12 Uhr, KGM Vortragssaal im Kulturforum
Anschließend an den Vortrag laden Rebecca Wolf und Ulrike G.K. Wegst um 14 Uhr zu einem Workshop zum Thema Holz hören / The Audibility of Wood ins Musikinstrumenten-Museum ein. Der Workshop kann zweisprachig deutsch und englisch stattfinden und ist für maximal 30 Besucher konzipiert.
Workshop
Die Verwendung von Holz im Musikinstrumentenbau ist enorm vielfältig. Die Auswahl, Verarbeitung und Pflege, speziell von Klangholz, sind teilweise aufwändig und erfordern Erfahrung und handwerkliches Wissen und Können. Und weil kein Stück Holz wie das andere ist und einzigartige Eigenschaften besitzt, ist dieses Material bis heute im Einsatz. Es ist ein faszinierender Werkstoff, organisch gewachsen und mit viel Kunstfertigkeit zugerichtet. An verschiedenen Stationen und anhand zahlreicher Beispiele wollen wir im Museum zu den Bereichen Handwerk, Konservierung, Akustik und Musik miteinander ins Gespräch kommen.
Station Handwerk und Musik
An unserer Sammlung verwahren wir etwa 4000 Objekte, davon sind 800 in der ständigen Ausstellung zu sehen. Für Saiteninstrumente ist Holz das Material der Wahl. An einer klassischen Konzertgitarre werden bis zu 20 verschiedene Holzarten verbaut. Jedes Bauteil hat unterschiedliche Anforderungen an die Konstruktionsweise und so soll das Material schwer oder leicht sein, es soll schwingen und Schall leiten können oder nicht. Wir sehen hier einen traditionellen Weg wie eine Geige entsteht und dürfen die Teile auch anfassen.
Wenn der Musikinstrumentenbauer Geld hat, ist es auch heute kein Problem, das Holz seiner Wahl zu finden und zu bezahlen. So war das bereits vor 500 Jahren, z.B. sind Holzbestände mit unterschiedlichster Art in alten Inventaren der Lautenbauer aus Füssen überliefert. Sehen Sie sich später die Vitrine mit den Lauten und die verschiedenen Materialien an.
Wir wenden verschiedene Untersuchungsmethoden an, um das Material genauer zu dokumentieren.
Eine Holzartenbestimmung mit einer Probe unter dem Mikroskop ist nur in seltenen Fällen möglich, weil wir nicht beliebig Material entnehmen können.
Um die Datierung zu stützen, helfen dendrochronologische Untersuchungen. Hier das Beispiel der Bestimmung der Decke einer Pandurina. Das Instrument wurde um 1730 gebaut, das Holz ist viel älter. Vermutlich hat der Instrumentenbauer Smorsone auch alte Holzbestände seiner Werkstattvorgänger übernommen und verarbeitet.
Es stellen sich Fragen:
Woher kam das Holz, wie sah der Handel aus? Wer war am Profit beteiligt? Waren für die Auswahl der Hölzer ausschließlich klangliche Eigenschaften gefragt oder spielten auch dekorative Aspekte eine Rolle?
Der Berliner Instrumentenmacher Thielemann hat 1806 ein Schreiben “Zur Erhöhung und Benutzung der einheimischen Hölzer zu feinen Meublen” verfasst. Er entdeckte das gemaserte Holz, das nicht zu spalten ist und deshalb auch kaum verbrannt wird, aber sehr dekorativ aussieht. Später können wir den Klang einer seiner Gitarren hören und das Instrument anschauen und bemerken im Vergleich, dass er anders – vielleicht nicht so schön? – ist.
Können wir nun auch die klanglichen Eigenschaften messen?
Es gibt Erfahrungen mit Nachbauten, aber auch Messmethoden, die die Vorauswahl von Material für den Instrumentenbau unterstützen.
- Lucchimeter
misst Schallgeschwindigkeit im Holz - fft-Analyse
zur Bestimmung der Hohlraumresonanz, der Deckenschwingung, der Halsschwingung - AIR
zur Bestimmung der Hohlraumresonanz, als “Fingerabdruck der Akustik eines Objektes”, theoretisch kombinierbar mit dem finite-Elemente Modell (einer 3D-Zeichnung) eines Instrumentes. Daraus kann ein klingendes, “synthetisches” Instrument entwickelt werden. Vorteil: berührungsfreie Methode!
In einem Video können wir hören und sehen, welcher Klang bei der Methode AIR als “Fingerabdruck eines Musikinstruments” entsteht. Im Spektrogramm wird die Intensität der Frequenzen dargestellt. Verbindet man dieses Ergebnis mit einem dreidimensionalen Modell können daraus virtuelle Klänge entstehen, die einem originalen Musikinstrument nachempfunden sind.
Video: https://youtu.be/Sxmpcchq_ko
Fragen: Wollen wir ein Instrument ohne Seele? Ein KI-Modell-Klang?
Station Musik
Zwei Klangbeispiele
(bitte das jeweilige Foto anklicken)
Gitarre von Georg Thielemann, Berlin, 1806, Kat.-Nr. 5797
Musik: Studien für die Gitarre op. 44 – Andante, von Carl Blum, gespielt von Michael Freimuth
Gitarre, Petitjean, Mirecourt, um 1800, Kat.-Nr. 5119
Musik: Songs without words and sketches, composed for the guitar, No. 78, "Eventide", von Sidney Pratten, gespielt von Eva Beneke
Station Restaurierung
Themen
- Wie gehen wir mit Materialien um?
- Wiederverwertung, Aufarbeitung
- Nachhaltigkeit
- Gesellschaftlich und religiös vermittelte Bedeutung von Materialien
7. November 2024, 14 Uhr, Musikinstrumenten-Museum