Musikalische Interpretation im 19. und 20. Jahrhundert: Tempo

Veranstaltungsdatum: 12.01.2023
Ort der Veranstaltung: Curt-Sachs-Saal

mit Marten Noorduin. Beginn: 19 Uhr

Gestaltungselement im Treppenhaus des SIM

Tempo, Taubheit und Transzendenz in Beethovens Spätwerk

Bei dem Bestreben, Beethovens – mitunter sehr rasche – Tempi zu realisieren, hat man sich in den letzten 100 Jahren vor allem auf die schnellen Sätze konzentriert. Dass auch die langsamen Sätze eher zügig zu nehmen sind, wurde weitgehend außer Acht gelassen, zumal in langsamen Sätzen des Spätwerks, wo viele Interpreten bis heute versuchen, so langsam wie möglich zu spielen. Trotz des weitgehenden Konsenses in dieser Frage wurden in jüngster Zeit historische Quellen gefunden, die darauf hinweisen, dass Beethoven auch für die Adagio-Sätze des Spätwerks schnellere Tempi im Sinn hatte und dass die heutige übliche Langsamkeit vor den epochalen Verlangsamungstendenzen im 19. und 20. Jahrhundert bereits auf die Rezeptionsgeschichte in den ersten Jahrzehnten nach Beethovens Tod zurückzuführen ist.

Marten Noorduin wird in seinem Vortrag erstens Dokumente präsentieren, die einen solchen Befund nahelegen. Zweitens sollen eigens für den vorliegenden Diskurs eingespielte Aufnahmen vorgeführt werden, die die für uns heute kaum vorstellbaren raschen Tempi der ersten Generation von Beethoven-Interpreten in langsamen Sätzen des Spätwerks einmal exemplarisch realisieren. In einem Ausblick soll drittens schließlich versucht werden zu erklären, womit insbesondere die Verlangsamungen im Beethovenschen Spätwerk zusammenhängen könnten.

Marten Noorduin studierte Klavier am Konservatorium in Tilburg und Liberal Arts and Sciences an der Utrecht University, bevor er für ein Postgraduiertenstudium an die University of Manchester ging. Die Promotion erlangte er 2016 mit einer Arbeit über Beethovens Tempoangaben und war danach von 2017 bis 2020 Forschungsstipendiat an der University of Oxford, wo er Aufführungspraktiken im 19. Jahrhundert erforschte. Nach einem Aufenthalt am Staatlichen Institut für Musikforschung in Berlin für ein Forschungsprojekt zu Meyerbeers Hofkonzerten ist er nun seit April 2022 an der Musikhochschule Lübeck als Forscher tätig im DFG-Projekt „‚You play exactly as if you came from America‘ – Transatlantische Beziehungen und anti-amerikanische Vorbehalte im Musikleben des Deutschen Kaiserreichs und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1880–1915“.

Veranstaltungsdatum: 12.1.2023
Ort der Veranstaltung: Curt-Sachs-Saal
Beginn: 19 Uhr
Eintritt frei.

Allgemeine Informationen zur Vortragsreihe
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Verantwortlich und immer dabei: Heinz von Loesch und Jo Wilhelm Siebert

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