Forschungsprojekt

"Alles ist Musik, sichtbare Musik in dem eigenartigen Raum". Zum Verhältnis von Interieurkunst und Musikpflege im frühen 20. Jahrhundert

Der Zugang der musikhistorischen Forschung zum Thema "Musik und Raum" ist vielfältig, so werden beispielsweise historische Klangumgebungen rekonstruiert und wieder hör- und sichtbar gemacht, Raumvorstellungen in Wahrnehmungsdiskursen zur Musik erforscht oder räumlich konzipierte Notationsformen und Kompositionsweisen analysiert (Noeske 2019). Mit der Untersuchung der Orte musikkulturellen Handelns steht in meinem Projekt eine weitere Analyseebene im Fokus (Rode-Breymann 2007), der ich am Beispiel imaginierter und/oder realisierter Innenräume im Bereich der Wohnraumgestaltung des frühen 20. Jahrhunderts nachgehen möchte (vgl. auch Fontaine 2015; Meine/Rost 2020). Hierbei stehen nicht allein die musikalisch handelnden Subjekte oder etwa die Klangkörper im Vordergrund, sondern ebenso die Akteur*innen der Innenraumgestaltung und des sich etablierenden Kunsthandwerks um 1900. Diese planten nicht nur die Innenausstattung der Räume mit Mobiliar, Musikinstrumenten, technischen Geräten, Beleuchtung, Vorhängen etc. und ließen diese entsprechend einrichten. Sie diskutierten in Fachorganen auch immer wieder die akutelle Musik(pflege), übten etwa Kritik an den immer größeren Ausmaßen der Klaviere, erzeugten musikalische Sehnsuchtsorte oder forderten für die Raum- wie auch musikalische Gestaltung gleichermaßen klarere Linien. Diesem Verhältnis von Innenraum und Musik unter besonderer Berücksichtigung der Interieurkunst möchte ich nachgehen.

Ausgehend von der praxissoziologischen Überlegung, dass ein Raum mit seiner Struktur, seinen Objekten und den sich darin bewegenden Subjekten zwar Routinen des Handelns nahelegt, aber sich genauso über praktische Vollzüge allererst "entfaltet" (Alkemeyer 2013, S. 64-65), richte ich folgende Fragen an mein Quellenmaterial, das überwiegend aus Interieurzeitschriften und den darin enthaltenen Aufsätzen, Zeichnungen, Skizzen und Fotografien vorgestellter oder bereits existierender privater musikalischer Räume besteht: Inwieweit sind die Entwürfe des Raums auch als Entwürfe der Musik und Musizierpraxis zu lesen? Welches musikalische Wissen wurde bei der Innenraumgestaltung (re-)produziert? Wie wurden die Räume einschließlich neuer Medienpraktiken in Gebrauch genommen? Deckt sich das mit den musikalischen Vorstellungen der Raumgestalter*innen? Welche personalen und konzeptuellen Verflechtungen bestanden zwischen Interieurkunst und Musik (z.B. Möbel- und Instrumentenbau)? Neben praxeologischen und raumsoziologischen Ansätzen legen diese Fragen architekturgeschichtliche, organologische und medienhistorische Perspektiven nahe.

Nicht zuletzt bieten diese Fragen nach privaten musikalischen Innenräumen die Möglichkeit, über Ausstellungskonzepte nachzudenken, die die Präsentation und (digitale) Modellierung von Wohn- und Musikzimmern samt ihrer Einrichtung, und sei es auch nur andeutungsweise, anhand von Skizzen, Abbildungen, Entwürfen und Berichten in den Vordergrund stellen (Alonso Amat/Magesacher/Meyer 2021).

Zitat

  • Joseph August Lux, Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung, Wien/Leipzig 1905, S. 117.

Literatur

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