Virtueller Konzertsaal

Der Virtuelle Konzertsaal ist eine Simulationsumgebung, mit der optoakustische künstlerische Darbietungen, z.B. Musik oder Sprache, samt Aufführungsraum ins Labor geholt werden können, um dort unter kontrollierten Bedingungen Wahrnehmungsexperimente durchführen zu können.

Bei der Herstellung der künstlerischen Inhalte werden die Darbietung und die Eigenschaften eines Aufführungsraums getrennt voneinander aufgezeichnet bzw. vermessen. Außerdem werden die jeweilige optische und die akustische Komponente der Darbietung und des Aufnahmeraums getrennt voneinander aufgezeichnet bzw. vermessen. Die aufgezeichneten Darbietungen werden dann mit den gemessenen Raumeigenschaften versehen. Dies geschieht akustisch durch das Prinzip der Faltung und optisch durch Freistellung und Chroma-Key Compositing. Die akustische Wiedergabe erfolgt in 3D über ein Binauralsynthesesystem auf der Basis eines speziell entworfenen und angefertigten extraauralen Kopfhörers mit Kopforientierungssensor, die optische Wiedergabe in 3D über einen stereoskopischen Großbildmonitor. Die Anlage ist nach außen optisch und akustisch abgeschirmt, um die Immersion zu erhöhen.

Der Virtuelle Konzertsaal erlaubt zum einen die Trennung von Darbietung und Aufführungsraum: während derselben fortlaufenden Darbietung können die Aufführungsräume umgeschaltet werden. Dies ist nur in der virtuellen Realität möglich und erlaubt einen direkten Vergleich von Aufführungsräumen ohne die Beeinflussung durch veränderliche Darbietungen. Zum anderen erlaubt der Virtuelle Konzertsaal die Trennung von optischer und akustischer Domäne. So können etwa die akustischen Eigenschaften eines Raums mit den optischen Eigenschaften eines anderen Raums kombiniert werden. Auch diese Konfliktreize können nur in der virtuellen Realität erzeugt werden und erlauben die voneinander unabhängige, systematische Variation optischer und akustischer Eigenschaften von Aufführungsräumen.

Die technische Qualität ist darauf ausgerichtet, diejenigen Reizeigenschaften, die für das Hören und Sehen wichtig sind, weitgehend aufrechtzuerhalten, also zahlreiche Schlüsselmerkmale in hinreichender zeitlicher und räumlicher Auflösung zu übertragen.

Derzeit stehen als Darbietungsinhalte ein Streichquartett und eine Gedichtrezitation zur Verfügung, die akustisch und optisch jeweils in das Renaissance-Theater (Berlin), die Komische Oper (Berlin), das Gewandhaus (Leipzig), den kleinen Saal des Konzerthauses (Berlin), die Jesus-Christus-Kirche (Berlin) oder das Kloster Eberbach (Eltville am Rhein) versetzt werden können.

Der Virtuelle Konzertsaal wurde im Rahmen des Projekts „Audio-visual perception of acoustical environments“ anhand methodischer Kriterien entworfen und ausschließlich als Forschungswerkzeug genutzt. Es wurden eine große Variante mit 180°-Panoramaprojektion im Hauptgebäude der TU Berlin und eine kleine Variante mit hochauflösendem Großbildmonitor im SIM aufgebaut und betrieben. Im Rahmen des Projekts Sound & Vision Experience Lab wird der Virtuelle Konzertsaal derzeit zu einer Simulationsumgebung für die optische und akustische Veranschaulichung verschiedenster musikwissenschaftlicher Erkenntnisse erweitert, die für das Publikum des Musikinstrumenten-Museums zugänglich sein wird.