Musiktheorie für Kinder

News vom 15.08.2025

Neue Leihgabe aus dem Besitz des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik ergänzt die Sammlungen des SIM.

Foto: MPI für ästhetische Forschung

Seit 12. August 2025 hat das Staatliche Institut für Musikforschung als Leihgabe vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik ein Exemplar des Musical Game in seinem Bestand. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein Musiktheorie-Brettspiel der schottischen Musikpädagogin Anne Young von 1801. Das ausgeklügelte pädagogische Spiel bereichert die Sammlungen des Instituts nicht nur als bemerkenswertes kunsthandwerkliches Objekt. Spannend ist vor allem sein Zweck: Kindern die Grundlagen der Musiktheorie spielerisch näherzubringen.

1801 erhielt Young (1756–1813) für das Musical Game das erste britische Patent für ein Brettspiel und zugleich das einzige Patent, das in diesem Jahr einer Frau erteilt wurde. Zu dieser Zeit wirkte Young, Kind einer musikalisch gebildeten Familie und Schwester des schottischen Musiktheoretikers Walter Young, als Musikerzieherin junger aristokratischer Töchter in Edinburgh. Das aus diesem pädagogischen Kontext entstandene Musical Game widmete Young „by permission to Her Royal Highness the Princess Charlotte of Wales“ („mit freundlicher Genehmigung Ihrer Königlichen Hoheit Prinzessin Charlotte von Wales“). Der Widmungsträgerin entsprechend ausgestaltet, handelt es sich beim Musical Game um einen Luxusartikel seiner Zeit: Mahagoni als dekoratives Außenfurnier, Spielfiguren, -steine und -würfel aus Ebenholz und Elfenbein. Hergestellt, beworben und verkauft wurde das Musical Game von dem in Edinburgh ansässigen Klavierhersteller Muir Wood & Co., dessen Firmenname noch auf dem originalen Schlüssel der Leihgabe zu lesen ist.

Dem Musical Game beigefügt, verfasste Young 1801 eine Handreichung als Instructions for Playing the Musical Games. Ein original erhaltenes Exemplar dieser ersten Spielanleitung wird heute in der Chawton House Library aufbewahrt. Bekannter und weitaus umfangreicher ist Youngs zwei Jahre später veröffentlichte Publikation An Introduction to Music, in der die Prinzipien des Generalbasses und der Modulation anhand von „musical games“ umfassend und anschaulich erklärt werden. Diese 300 Seiten umfassende Abhandlung liest sich neben der praktischen Spielanweisung als ein Zeugnis schottischer Musiktheorie und -pädagogik des 18. Jahrhunderts. Nicht zuletzt gibt uns Youngs ausführliches Vorwort Einblicke in die Erfahrungen einer schottischen Musiklehrerin der Zeit.

Am Frankfurter Max-Planck-Institut wurde dieses Exemplar des Musical Game ausführlich von Dr. Carmel Raz im Rahmen der seit 2018 von ihr geleiteten Forschungsgruppe „Histories of Music, Mind, and Body“ erforscht. Die weitreichenden Forschungsergebnisse sind unter anderem in Raz’ Kapitel „What’s in a Game? Rediscovering the Music Theory of Anne Young“ ihrer vor Kurzem erschienenen Publikation Hearing with the Mind. Proto-Cognitive Music Theory in the Scottish Enlightenment nachzulesen. Heute hat Raz eine Professur am Department of Music der Cornell University.

Forschungen zu Materialien, frühen Ideen der Musikvermittlung, Frauen in der Musiktheorie und -pädagogik sind nur erste Anknüpfungspunkte, um das Spiel weiter zu erkunden und dem Publikum näherzubringen.

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